„Zuerst denkt man ja, man würde ewig leben.“
Mo Bader
inotec Barcode Security
Mo Bader kann sich im Alter von 66 Jahren noch nicht vorstellen, einfach nichts zu tun. Dennoch hat er sein Unternehmen verkauft. Wie funktioniert ein Leben, das bisher immer die Arbeit war? Ein Gespräch.
Die strengen Augen von Mo Bader haben etwas auf dem Fußboden des Besprechungsraumes erspäht. „Was ist denn das?“, fragt er in Richtung einer Mitarbeiterin. Er bückt sich und hebt einen Papierschnipsel auf. Später im Gespräch wird er über diese Situation lachen. „Ich kann es nicht lassen“, sagt er. Einmal Chef, immer Chef. Der Gründer der inotec Barcode Security trägt ein kariertes Sakko mit Einstecktuch, ein weißes Hemd, das weiße Haar ist sorgfältig gelegt. Zwei Tage in der Woche arbeitet er noch bei inotec, seit er das Unternehmen im Jahr 2015 an Obermark verkauft hat.
Wann haben Sie erstmals darüber nachgedacht, die Nachfolge regeln zu müssen, Herr Bader?
Irgendwann Mitte vierzig fragte ich mich zum ersten Mal, was eigentlich passiert, wenn ich morgen nicht mehr bin. Immerhin sind 50 Mitarbeiter und auch deren Familien von diesem Unternehmen abhängig.
Wollten Ihre Kinder das Unternehmen nicht weiterführen?
Nein, die haben ihre eigenen Pläne und signalisierten sehr früh, dass sie kein Interesse haben. Es gab auch sonst niemanden, der das Unternehmen weiterführen wollte und es auch gekonnt hätte. Der Verkauf war daher die einzig vernünftige Lösung. Aber natürlich fällt es schwer, das kann man nicht leugnen.
Was genau fällt denn schwer?
Mit 66 Jahren fühle ich mich noch jung genug, um aktiv zu sein. Nichts zu tun, nichts zu produzieren, keine Aufgabe mehr zu haben – das kann ich mir noch gar nicht vorstellen. Ich bin noch nicht so weit. Natürlich könnte ich jetzt all die schönen Dinge tun, für die ich bisher nie Zeit hatte. Aber abends frage ich mich dann: Was habe ich heute Positives getan?
Bisher sind Sie ja noch im Unternehmen tätig.
Ja, zwei Tage bin ich in der Woche noch hier. Da bin ich auch immer sofort bei der Sache, finde immer etwas, was mir nicht passt, tüftele mit den Mitarbeitern in der Produktion, ich habe immer noch viele Ideen.
Keine Hobbys für den Rest der Woche?
Ach, ich spiele kein Golf, kein Tennis. Ich interessiere mich auch nicht für Fußball. Mein Hobby war immer die Arbeit, etwas anderes gab es nicht. Zwölf bis 14 Stunden jeden Tag, ich habe alles gemacht, mich sogar unter die Maschinen gelegt und rumgeschraubt. Da muss ich jetzt erst einmal lernen herunterzukommen.
„Der Verkauf war die einzig vernünftige Lösung. Aber natürlich fällt es schwer, das kann man nicht leugnen.“
Was war denn ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, inotec an die Obermark zu verkaufen?
Es war mir wichtig, dass das Unternehmen hier am Standort weiter existiert und dass die Mitarbeiter bleiben, das bin ich ihnen schuldig. Außerdem wollte ich den Moment noch erleben, dass jemand anderes das Unternehmen weiterführt, daher habe ich jetzt verkauft, obwohl ich bestimmt noch einige Jahre hätte arbeiten können.
Schmerzt es, dass Ihre eigenen Kinder Ihr Lebenswerk nicht weiterführen wollen?
Schmerz ist nicht der richtige Ausdruck, man ist überrascht, wird von der Realität eingeholt. Zuerst denkt man ja, man würde ewig leben. Dann glaubt man, der eigene Sohn wird das Lebenswerk weiterführen. Und schließlich realisiert man, dass nichts von alldem stimmt.
Haben Sie über sich selbst als Unternehmenslenker schon reflektieren können?
Ich bin ein schwieriger Mensch, der es bestimmt niemandem leicht gemacht hat. Ein Patriarch wohl, mit all den guten und schlechten Seiten. Ich habe immer etwas Distanz gewahrt, geduzt wurde bei mir nicht. Jeanshosen gab es im Job auch nicht. Disziplin habe ich gefordert, aber auch immer vorgelebt. Qualität verlangt zuerst nach Disziplin, sie ist die Basis unseres Erfolgs.
Wie wichtig ist Geld bei der Verkaufsentscheidung?
An Geld denkt man nur, solange man keines hat. Geld wird irgendwann unwichtig. Für den Verkauf habe ich die Preisverhandlung von Anwälten machen lassen. Keine Frage, der Preis muss immer stimmen, aber das Geld ist nicht der Antrieb meiner Arbeit.
Hätten Sie im Nachhinein in Ihrer Zeit als Firmenchef etwas anders gemacht?
Vielleicht war ich nicht immer mutig genug. inotec war immer schuldenfrei, unser Wachstum haben wir stets aus eigenen Mitteln finanziert. Entsprechend waren viele Schritte auch eher klein. Ich war bestimmt auch oft zu gutmütig, hätte mich von einigen Mitarbeitern eher trennen sollen. Weiterhin haben wir das Unternehmen relativ spät modernisiert – kurzum, alle Möglichkeiten, die wir hatten, haben wir wohl nicht genutzt. Gleichwohl stehen wir heute sehr solide und gesund da.
Was wünschen Sie sich für das nächste Kapitel in Ihrem Leben?
In meinem Alter wünscht man sich Gesundheit. Ansonsten habe ich noch einige Ideen, vielleicht gelingt es mir, noch etwas davon zu verwirklichen. Möglicherweise auch in einer anderen Branche. Unternehmerische Verantwortung werde ich aber nicht mehr übernehmen, dafür wird die Kraft nicht reichen.
Mit welchem Gefühl gehen Sie heute an Ihrem einstigen Unternehmen vorbei?
Es ist wie ein Haus, in dem man lange gewohnt hat. Die Erinnerung bleibt. Wenn der neue Besitzer es gut pflegt und in Schuss hält, dann freut man sich. Ich möchte später am Stock hier vorbeispazieren und stolz sagen können: Das habe ich aufgebaut. Andere gucken im Alter jeden Tag, wie das Wetter wird, ich werde immer schauen, wie es inotec geht.
Dezember 2015
„Andere gucken im Alter jeden Tag, wie das Wetter wird, ich werde immer schauen, wie es inotec geht.“